Glatze und Selbstbewusstsein

6. März 2010

Glatze – Haarausfall – androgenetische Alopezie – androgenetisch bedingte Männerglatze – Toupet – volles Haar – Selbstbewusstsein – Online-Experiment – psychologische Untersuchung – Psychologie – Haarpsychologie – Glatzenträger – Eindruckswirkung – soziale Wahrnehmung – soziale Beurteilung – Gesichterbeurteilung – Persönlichkeitsbeurteilung – Persönlichkeitseindruck – Sozialpsychologie – Persönlichkeitspsychologie

Glatze und Selbstbewusstsein
Eine Untersuchung zur Eindruckswirkung der Männerglatze

© PD Dr. Ronald Henss

Fragestellung

Die androgenetisch bedingte Männerglatze wird im Allgemeinen eher negativ bewertet. Im Folgenden geht es speziell um den Zusammenhang zwischen Männerglatze und Selbstbewusstsein. Dabei geht es nicht um die Wirkung auf die Betroffenen, sondern ausschließlich um die Wirkung der Glatze auf dem Betrachter.
Also: Erscheint ein Mann mit Glatze weniger selbstbewusst (oder womöglich selbstbewusster) als ein Mann mit vollem Haar?


Methoden

Grundlage der Untersuchung sind Gesichterfotos von 13 Männern (im Folgenden als Stimuluspersonen bezeichnet). Die Männer (Altersbereich Ende zwanzig bis Anfang sechzig) waren natürliche Glatzenträger. Sie wurden unter standardisierten Bedingungen einmal mit Glatze und einmal mit einem von einem Toupetspezialisten individuell angefertigten Toupet fotografiert.
Die Fotos wurden in einer Online-Studie zur Beurteilung präsentiert. In jedem einzelnen Fall wurde die Reihenfolge der Stimuluspersonen durch einen Zufallsgenerator bestimmt und es wurde jeweils per Zufall bestimmt, ob eine Stimulusperson mit Glatze oder mit Toupet präsentiert wurde.
Die Versuchsteilnehmer hatten die Aufgabe, die Gesichter auf einer 9-stufigen Ratingskala im Hinblick auf das Merkmal „Selbstbewusstsein“ zu beurteilen (1 = “nicht selbstbewusst“ bis 9 = “selbstbewusst“).
Insgesamt nahmen etwa 1.900 Versuchspersonen teil. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf die Stichprobe von 1.580 Teilnehmern, die Deutschland als Herkunftsland angaben. 34,5 Prozent waren Männer, 65,5 Prozent Frauen. Das Alter reichte von 16 bis 77 Jahren, die Männer waren im Mittel 28, die Frauen 24 Jahre alt (jeweils Median).


Ergebnisse

Globale Analyse

Zunächst wurden die einzelnen Versuchspersonen als Analyseeinheit betrachtet. Für jeden Urteiler wurde der Mittelwert über alle Glatzenträger und der Mittelwert über alle Toupetträger berechnet (da jeweils per Zufall festgelegt wurde, ob eine Stimulusperson mit Glatze oder mit Toupet präsentiert wurde, ergeben sich für die einzelnen Urteiler unterschiedliche Kombinationen).
Über die gesamte Urteilerstichprobe ergaben sich praktisch identische Mittelwerte:
M(Glatze) = 5,20
M(Toupet) = 5,21
Bei einer globalen Betrachtung ergibt sich also keinerlei Unterschied zwischen Glatze und Toupet.
Zwischen den verschiedenen Stimuluspersonen ergaben sich jedoch erhebliche Unterschiede: die niedrigste Bewertung betrug 4,04, die höchste 7,21.

Stimuluszentrierte Perspektive

Da die verschiedenen Stimuluspersonen sehr unterschiedlich beurteilt wurden, wurden die Daten für jede Stimulusperson gesondert analysiert.
Bei 4 der 13 Stimuluspersonen war der Unterschied zwischen Glatze und Toupet statistisch nicht signifikant.
3 Personen erschienen mit Glatze signifikant selbstbewusster als mit vollem Haar.
6 Personen erschienen mit Toupet signifikant selbstbewusster als mit Glatze.

Da dieser Untersuchung eine außergewöhnlich große Stichprobe zugrunde liegt, ist ein statistisch signifikantes Ergebnis für sich alleine genommen wenig aussagekräftig (allenfalls das Fehlen signifikanter Unterschiede ist bemerkenswert). Ergänzend wurden – für die signifikanten Fälle – Maße der statistischen Effektstärke berechnet, und zwar Cohen’s d und r(BESD), die hier für Fachleute aufgelistet sind (r(BESD) in Klammern):
-0,61 (0,29)
-0,46 (0,22)
-0,27 (0,13)
 0,13 (0,07)
 0,24 (0,12)
 0,25 (0,12)
 0,27 (0,13)
 0,29 (0,15)
 0,30 (0,15)


Resume

Die Eindruckswirkung der androgentisch bedingten Männerglatze ist im Hinblick auf das Merkmal Selbstbewusstsein nicht durch ein globales Besser oder Schlechter zu charakterisieren. Die Wirkung hängt vielmehr von dem jeweils Beurteilten ab. Manche Männer erscheinen mit Glatze selbstbewusster als mit vollem Haar, andere Männer wirken hingegen mit vollem Haar selbstbewusster und bei einigen Männern zeigt sich überhaupt kein Effekt der Haarfülle auf das eingeschätzte Selbstbewusstsein.

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Haarausfall – Psychologische Aspekte

31. Januar 2010

Haare – Haarausfall – androgenetische Alopezie – Glatze – Männerglatze – Psychologie – psychologische Aspekte des Haarausfalls beim Mann

Kurz und bündig
Psychologische Aspekte des Haarausfalls beim Mann
© PD Dr. Ronald Henss

Unzählige Zeugnisse aus Literatur, Geschichte, Völkerkunde, Archäologie und anderen Wissenschaftszweigen belegen, dass das Haar zu allen Zeiten und in allen Kulturen eine herausragende Rolle gespielt hat. Auf der Seite der Männer steht seit alters her der Kampf gegen die Glatze im Vordergrund. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Gerade heute, wo die äußere Erscheinung auch für Männer eine zunehmend wichtigere Rolle spielt, stellt der Verlust des Haupthaares für viele Betroffene eine große Belastung dar.

Die Männer reagieren zwar durchaus unterschiedlich, aber es gibt kaum jemanden, dem der Verlust des Haupthaars völlig gleichgültig ist. Viele Betroffene berichten über negative Erfahrungen im privaten und beruflichen Umfeld. Umfangreiche Untersuchungen zeigen ein breites Spektrum psychischer Probleme, Sorgen und Ängste, die mit dem Verlust des Haares einhergehen, wie zum Beispiel: das Gefühl, weniger attraktiv zu sein, weniger Chancen beim anderen Geschlecht zu haben, im sozialen und im beruflichen Umfeld benachteiligt zu sein, höhere Selbstaufmerksamkeit, geringeres Selbstvertrauen, verringertes Selbstwertgefühl, emotionale und soziale Verunsicherung, sozialer Rückzug. Wenngleich der Grad der Belastung je nach Persönlichkeitsstruktur und sozialem Umfeld sehr unterschiedlich sein kann, ist für viele Männer die Glatze mit erheblichem psychischem Stress und einem hohen Leidensdruck verbunden.

Der Ausgangspunkt der psychologischen Probleme ist wohl vor allem die Befürchtung, dass ein kahles Haupt in den Augen der Mitmenschen ein negatives Image erzeugt. Die psychologische Forschung hat in zahlreichen Untersuchungen gezeigt, dass diese Sorge keineswegs unbegründet ist. Mit Glatze sieht ein Mann nicht nur um mehrere Jahre älter aus, Glatzenträger erscheinen in den Augen ihrer Mitmenschen auch deutlich weniger attraktiv, und zwar insbesondere im Hinblick auf die sexuelle Attraktivität. Man hält sie für spießiger, konservativer, weniger modebewusst und man traut ihnen geringere Chancen beim anderen Geschlecht zu. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass Glatzenträger sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich benachteiligt sein können.

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