Glatze – Haarausfall – androgenetische Alopezie – androgenetisch bedingte Männerglatze – Toupet – volles Haar – Selbstbewusstsein – Online-Experiment – psychologische Untersuchung – Psychologie – Haarpsychologie – Glatzenträger – Eindruckswirkung – soziale Wahrnehmung – soziale Beurteilung – Gesichterbeurteilung – Persönlichkeitsbeurteilung – Persönlichkeitseindruck – Sozialpsychologie – Persönlichkeitspsychologie
Glatze und Selbstbewusstsein
Eine Untersuchung zur Eindruckswirkung der Männerglatze
© PD Dr. Ronald Henss
Fragestellung
Die androgenetisch bedingte Männerglatze wird im Allgemeinen eher negativ bewertet. Im Folgenden geht es speziell um den Zusammenhang zwischen Männerglatze und Selbstbewusstsein. Dabei geht es nicht um die Wirkung auf die Betroffenen, sondern ausschließlich um die Wirkung der Glatze auf dem Betrachter.
Also: Erscheint ein Mann mit Glatze weniger selbstbewusst (oder womöglich selbstbewusster) als ein Mann mit vollem Haar?
Methoden
Grundlage der Untersuchung sind Gesichterfotos von 13 Männern (im Folgenden als Stimuluspersonen bezeichnet). Die Männer (Altersbereich Ende zwanzig bis Anfang sechzig) waren natürliche Glatzenträger. Sie wurden unter standardisierten Bedingungen einmal mit Glatze und einmal mit einem von einem Toupetspezialisten individuell angefertigten Toupet fotografiert.
Die Fotos wurden in einer Online-Studie zur Beurteilung präsentiert. In jedem einzelnen Fall wurde die Reihenfolge der Stimuluspersonen durch einen Zufallsgenerator bestimmt und es wurde jeweils per Zufall bestimmt, ob eine Stimulusperson mit Glatze oder mit Toupet präsentiert wurde.
Die Versuchsteilnehmer hatten die Aufgabe, die Gesichter auf einer 9-stufigen Ratingskala im Hinblick auf das Merkmal „Selbstbewusstsein“ zu beurteilen (1 = “nicht selbstbewusst“ bis 9 = “selbstbewusst“).
Insgesamt nahmen etwa 1.900 Versuchspersonen teil. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf die Stichprobe von 1.580 Teilnehmern, die Deutschland als Herkunftsland angaben. 34,5 Prozent waren Männer, 65,5 Prozent Frauen. Das Alter reichte von 16 bis 77 Jahren, die Männer waren im Mittel 28, die Frauen 24 Jahre alt (jeweils Median).
Ergebnisse
Globale Analyse
Zunächst wurden die einzelnen Versuchspersonen als Analyseeinheit betrachtet. Für jeden Urteiler wurde der Mittelwert über alle Glatzenträger und der Mittelwert über alle Toupetträger berechnet (da jeweils per Zufall festgelegt wurde, ob eine Stimulusperson mit Glatze oder mit Toupet präsentiert wurde, ergeben sich für die einzelnen Urteiler unterschiedliche Kombinationen).
Über die gesamte Urteilerstichprobe ergaben sich praktisch identische Mittelwerte:
M(Glatze) = 5,20
M(Toupet) = 5,21
Bei einer globalen Betrachtung ergibt sich also keinerlei Unterschied zwischen Glatze und Toupet.
Zwischen den verschiedenen Stimuluspersonen ergaben sich jedoch erhebliche Unterschiede: die niedrigste Bewertung betrug 4,04, die höchste 7,21.
Stimuluszentrierte Perspektive
Da die verschiedenen Stimuluspersonen sehr unterschiedlich beurteilt wurden, wurden die Daten für jede Stimulusperson gesondert analysiert.
Bei 4 der 13 Stimuluspersonen war der Unterschied zwischen Glatze und Toupet statistisch nicht signifikant.
3 Personen erschienen mit Glatze signifikant selbstbewusster als mit vollem Haar.
6 Personen erschienen mit Toupet signifikant selbstbewusster als mit Glatze.
Da dieser Untersuchung eine außergewöhnlich große Stichprobe zugrunde liegt, ist ein statistisch signifikantes Ergebnis für sich alleine genommen wenig aussagekräftig (allenfalls das Fehlen signifikanter Unterschiede ist bemerkenswert). Ergänzend wurden – für die signifikanten Fälle – Maße der statistischen Effektstärke berechnet, und zwar Cohen’s d und r(BESD), die hier für Fachleute aufgelistet sind (r(BESD) in Klammern):
-0,61 (0,29)
-0,46 (0,22)
-0,27 (0,13)
0,13 (0,07)
0,24 (0,12)
0,25 (0,12)
0,27 (0,13)
0,29 (0,15)
0,30 (0,15)
Resume
Die Eindruckswirkung der androgentisch bedingten Männerglatze ist im Hinblick auf das Merkmal Selbstbewusstsein nicht durch ein globales Besser oder Schlechter zu charakterisieren. Die Wirkung hängt vielmehr von dem jeweils Beurteilten ab. Manche Männer erscheinen mit Glatze selbstbewusster als mit vollem Haar, andere Männer wirken hingegen mit vollem Haar selbstbewusster und bei einigen Männern zeigt sich überhaupt kein Effekt der Haarfülle auf das eingeschätzte Selbstbewusstsein.
***
Es stimmt, die Entscheidung nach der Wirkung eines Mannes mit Glatze ist subjektiv. Genauso eben auch die Attraktivität. Meinen Mann habe ich zum Beispiel mit Glatze kennengelernt und jetzt hat er sie durch ein Toupet „verschönert“ Doch das wirkt nicht so auf mich. Ich fand ihn vorher attraktiver, weil es für mich als Zeichen eines Makels galt. Jemand, der so perfekt ist, hat in der Gesellschaft einen Schönheitsmakel. Das macht mich nur umso verrückter nach ihn. Denn das ist genauso jemand äußerlich mit „Fehler“ behaftet wie ich, die hier und da Kilos zu viel und eine zu spitze Nase hat. Es liegt an der Einstellung der Gesellschaft, für wie attraktiv, und damit auch selbstbewusst, sie einen Menschen hält. Egal ob mit oder ohne Glatze. Und solange sie an einem perfekten Schönheitsideal festhält, wird es immer solche Abweichungen in den Werten der Studien geben.
Ich habe auch eine Glatze. Und das schon mit 45. Ich hoffe die Medizin entwickelt verfahren, um meinen Kindern diese unangenehme Erfahrung zu nehmen.